Wer ist nicht neugierig,
wenn er auf eine Psychologin trifft? Welche dunklen Geheimnisse, bizarre
Lebensgeschichten sie wohl gehört hat... Ich habe das Glück und treffe die
Psychologin Hendrike zum Gespräch im Café im Gasteig und frage, was sie im
Rückblick auf ihre Berufserfahrung erzählen kann. Es sprudelt sofort aus ihr heraus:
„Abraten! Ich würde jeder Frau davon abraten Psychologin zu werden. “
Traumberuf Psychologin.
Frauen sollten es beim Traum belassen und andere berufliche Wege beschreiten. Ungewöhnlicher
Standpunkt .
Hendrike hat vor 12
Jahren mit dem Studium der Psychologie begonnen, ein zweiter Beruf, nachdem sie
erfolgreich aber immer unzufriedener als Anwältin gearbeitet hatte. . Nach 6
Jahren war sie bereit die praktische Ausbildung anzutreten um zur
psychologischen Psychotherapeutin, PP im Fachjargon, ausgebildet zu werden.
Sie nennt ihr Projekt „poor
rich girl’s folly“, denn ihr waren viele der Probleme des Berufes bekannt
und dennoch – mit finanziellem Polster, den sie sich als Anwältin verdient hatte
und gemäßigteren Erwartungen und Hoffnungen als ihre Kommilitoninnen hat sie
diesen Weg eingeschlagen.
„Es ist ein
Frauenproblem“ sagt Hendrike, denn mehr als 98% der Studenten der Psychologie
sind Studentinnen. Es beginnt schon damit: welcher Mann mit einem 1,0 bis 1,6
Abitur würde sich auf ein Psychologiestudium einlassen? Die Zahlen sprechen für
sich.
Dass während des Studiums
ein Psychologieprofessor (wahrscheinlich nach einem Streit mit der
Herzallerliebsten, wie Hendrike vermutet) einem Hörsaal voller angehender
Psychologinnen warf, dass der Beruf so schlecht bezahlt sei, weil so viele
Frauen diesen ausübten, hätte für die Studentinnen Warnung genug sein sollen
meint Hendrike. Keine aber habe nur mit der Augenbraue gezuckt, so fasziniert
vom Prof und von ihrer Berufswahl überzeugt seien sie gewesen.
Der wirtschaftliche
Aspekt wird nämlich während des Studiums überhaupt nicht angesprochen. Die Studenten werden zu keinem Zeitpunkt
darauf vorbereitet, dass sie das Studium kaum amortisieren können, geschweige
denn sich mit dem Wunschberuf finanziell kaum über Wasser halten können. Ein
Kernproblem ist dabei, dass die Institute, die psychologische Psychotherapeuten
ausbilden – im Gegensatz zu ihren Studentinnen – auf wirtschaftlichen Erfolg
ausgerichtet sind und somit, die zahlende „Kundschaft“ nicht abschrecken
wollen. Man bedenke: die praktische Ausbildung zur PP, die für die
Kassenzulassung erforderlich ist, kostet ganze €30.000!
Als gestandene Feministin
bedauert Hendrike, dass meist nur männliche Psychologen die Sache mit Blick auf
den wirtschaftlichen Erfolg bzw. Amortisierung der bis dahin entstandenen
Kosten – von der Ausbildung bis zur Ablöse für den Kassensitz – angehen: sie
nehmen so viele Patienten es braucht um wirtschaftlich über die Runden zu
kommen auch wenn die Behandlung einzelner Patienten darunter leiden mag. Das
sind mindestens 30 bis 35 Patienten pro Woche! Ein Muss auch in Anbetracht der
zu erfüllenden Sollzahlen, die mit der Kassenzulassung einhergehen. Währenddessen,
verzweifeln Psychologinnen an ihrem Beruf: sie können nur eine geringe Zahl an
Patienten so behandeln, dass es ihrem beruflichen Ethos genügt, können davon
aber nicht überleben. Bei einer 30 Stunden Woche kommen ohne PP Ausbildung rund
€1.200 rum – vorausgesetzt man findet überhaupt eine Stelle als „einfache
Psychologin“! Wer soll davon leben? Dabei kommen die Menschen, mit immer
schwierigeren Problemen zu ihnen: suizidale Patienten, dramatische
Lebensgeschichten werden ihnen anvertraut, schwer suchtkranke Menschen müssen
behandelt werden. Hendrike sagt: „das ist knallharte Knochenarbeit, nach einer
Weile können Sie einfach nicht mehr“.
Kein Geld, keine
gesellschaftliche Anerkennung, keine Perspektive und als krönender Abschluss,
eine ziemliche hohe Wahrscheinlichkeit in der Altersarmut zu landen. Das führt
viele dieser hochbegabten Frauen, denen ganz andere erfolgsversprechende Berufe
offen gestanden hätten, beginnend mit Medizin, Entscheidungen zu treffen, die Hendrike
zwar bedauert, aber nachvollziehen kann: sie retten sich in das klassische
Familienmodell, kriegen Kinder und bleiben zu Hause. „Das Baby aus Frust“ nennt
das Hendrike.
Andere schlagen ganz neue
Wege ein: eine von Hendrikes ehemaligen Kommilitoninnen hat eine Konditorenlehre
begonnen. Eine andere, die Hendrike als besonders begabt und taff bezeichnet,
hat einen Stoffladen eröffnet.
Hendrike lacht und sagt
„ich sollte die Studentinnen insgeheim warnen“. Bisher habe sie sich nicht
getraut, denn dann wäre jegliche weitere Arbeit mit Kollegen unmöglich. Aber es
scheint ihr doch sehr am Herzen zu liegen, denn halb im Scherz fügt sie hinzu
„Irgendwann lasse ich T-Shirts drucken mit einer Warnung an alle angehenden
Psychologinnen und werde vor der Uni damit rumlaufen“.
Aucun commentaire:
Enregistrer un commentaire